Wie entstehen negative Emotionen?

Die Frage, wie negative Emotionen eigentlich zustande kommen, ist sehr vielschichtig und natürlich können in diesem kurzen Beitrag nicht alle Aspekte und Theorien hierüber betrachtet werden. Dennoch möchte ich Ihnen gerne ein einfaches Modell vorstellen, was in der Psychotherapie häufig zur Anwendung kommt und Ihnen eventuell helfen kann, negative Emotionen in ihrem Alltag zu reduzieren.

Erstmal gilt es zu klären, was denn eigentlich negative Emotionen sind und ob es überhaupt negative Emotionen gibt? Solche „negativ besetzten Emotionen“ wie beispielsweise HASS, WUT, ÄRGER, ANGST und vielleicht auch EKEL haben selbstverständlich eine wichtige Funktion und gehören zum Wechselspiel des Lebens dazu. So kann uns z. B. unsere ANGST vor Gefahren schützen und EKEL verhindert, dass wir ein verdorbenes Essen zu uns nehmen.
Wenn jedoch solche negativ besetzten Emotionen „zu häufig“ auftreten, erzeugt dies Leid. Deswegen kann es sinnvoll sein zu schauen, wie oft wir uns täglich in negativen Emotionen „verfangen“ und wie wir da wieder „rauskommen“. Das Thema „Rauskommen aus dem Emotionen“ bzw. EMOTIONSREGULIERUNG ist ein weites Feld und wahrscheinlich werde ich in einem der nächsten Beiträge darauf eingehen. Hier wollen wir uns zunächst einmal mit einem einfachen Modell der Emotionsentstehung befassen:

Negative Emotionen können entstehen, wenn es eine Diskrepanz zwischen unseren Erwartungen und den tatsächlichen Erfahrungen gibt. Was heißt das nun genau? Ganz häufig haben wir Erwartungen und Vorstellungen darüber, wie sich andere Menschen zu verhalten haben. Wir erwarten vielleicht, dass unser Chef sich fair verhält oder erwarten, dass unsere Kinder, unsere Eltern, unsere Freunde und Arbeitskollegen usw. sich in einer gewissen Weise verhalten. Wenn dies dann so geschieht (was natürlich sein kann), ist alles gut, da Erwartung und Erfahrung deckungsgleich sind. Häufig jedoch gibt es eine Nichtübereinstimmung bzw. eine Diskrepanz zwischen unseren Erwartungen und Erfahrungen, was dann zu Unverständnis, Ärger, Enttäuschung usw. führen kann. Folgende Abbildung lässt sich leicht einprägen und fasst dieses Modell kurz zusammen:

Was also tun? Sollen wir nun alle Erwartungen loslassen bzw. geht das überhaupt?
Nichts zu erwarten ist m. M. nach schwierig (bzw. fast unmöglich) und lässt sich im Alltag schwer umsetzten. Natürlich erwarte ich von der Pilotin, dass sie mich sicher ans Ziel bringt oder ich erwarte von meinem Arzt, dass er mich gründlich untersucht.
Jedoch kann es in vielen Alltagssituation sinnvoll sein Erwartungen zu reduzieren bzw. flexibler mit seinen Erwartungen umzugehen. Denn Erwartungen sind einfach nur „Wünsche, wie ich mir die Zukunft vorstelle“ und jeder hat doch schon die Erfahrung gemacht, dass es „anders kommt als man denkt“. Das John Lennon-Zitat aus dem Song „Beautiful Boy“ Life Is What Happens To You While You’re Busy Making Other Plans passt sehr gut in diesem Zusammenhang.

In der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) schauen wir uns ganz genau diese antizipatorischen Gedankenmuster (Gedanken an die Zukunft) an und stellen uns die Frage, wie sinnvoll bzw. nützlich sie in unserem Alltag sind. Wenn wir zum Entschluss kommen, einige Erwartungen zu reduzieren, wirkt sich dies auch auf das Auftreten der negativen Emotionen aus. Techniken aus dem Bereich der Achtsamkeit sind hierzu besonders hilfreich und können ganz individuell in den Alltag integriert werden.

Zum Schluss noch ein kurzes Beispiel aus der Musik: Mein Gitarrenlehrer Christoph Klein hat im Zusammenhang mit dem Thema Jazzmusik häufig von der Diskrepanz zwischen der eigenen Hörerwartung und der Hörerfahrung gesprochen. Er meinte, dass wir oft einen melodischen Melodielauf erwarten und dann „erschrecken“, wenn dissonante Töne auftreten oder die Melodie Sprünge macht, die mit unseren Vorstellungen nicht übereinstimmen. Die gute Nachricht ist jedoch, dass wir trainieren können Erwartungen loszulassen und offen und ohne Bewertungen die Dinge so zu sehen oder zu hören, wie sie sind.
Wenn Sie möchten, können Sie gerne folgende keine Hörübung ausprobieren. Lauschen Sie einfach für ca. 3 Minuten den Klängen des Gitarristen Louis Stewart und versuchen Sie, alle Erwartungen loszulassen und mit einem offenen Geist im Hier-und-Jetzt zu verweilen und diese Klangeindrücke ohne Bewertungen einfach wirken zu lassen: „Musikbeispiel Louis Stewart“