Wie gehe ich mit meinen Gedanken um – Teil 2 – Die metakognitiven Ansätze –

Im ersten Teil haben wir uns angesehen, welche Strategien kurzfristig hilfreich sind um mit belastenden Gedanken besser umgehen zu können. Hierbei sind wir auf das Skills-Training bzw. auf die Übungen zur Aufmerksamkeitslenkung eingegangen. In diesem Teil möchte ich eine Theorie und eine Übung vorstellen, welche Ihnen helfen kann langfristig besser mit ihren belastenden Gedanken umzugehen.

Wir haben ja bereits angesprochen, dass ein Unterdrücken und Beiseiteschieben von belastenden Inhalten meist nicht funktioniert („Wasserball-Metapher“) und dass das Kontrollieren von Gedanken nahezu unmöglich ist („Denken Sie nicht an weiße Eisbären!“ ;-)). Einige Ansätze in der Verhaltenstherapie gehen auf die Inhalte der Gedanken ein und wollen diese verändern, was dann als Kognitive Umstrukturierung bezeichnet wird. Hierbei gibt es viele interessante Techniken, die ich voraussichtlich in einem späteren Artikel beschreiben werde. Denn heute soll es um einen alternativen Ansatz gehen, der der metakognitiven Therapie zugeordnet wird und Bestandteil der Dritten Welle der Verhaltenstherapie ist.

Was versteht man nun unter dem Wort „metakognitiv“? Ganz einfach, denn das Wort Metaebene lässt sich u. a. als „Beobachterebene“ übersetzen und genau darum wird es gehen. Die eigenen Gedanken nur zu beobachten ohne diese zu kontrollieren oder die Inhalte verändern zu wollen. Folgendes Bild verdeutlicht dies (und bitte entschuldigen Sie meine schlechten Malkünste ;-))

Das Männchen auf dem Bild beobachtet seine Gedanken und lässt sie vorüberziehen so wie „Wolken am Himmel“ oder „Blätter die auf einem Fluss treiben“. Der Beobachter nimmt alles staunend zur Kenntnis und betrachtet einfach nur was kommt ohne etwas kontrollieren oder verändern zu wollen. Und ganz wichtig: Ohne sich in die Inhalte hineinziehen zu lassen.

Was heißt denn nun ohne sich in die Inhalte hineinziehen zu lassen? Wir können unsere Gedanken nicht stoppen, jedoch können wir uns entscheiden, ob wir in unsere Gedanken einsteigen oder nicht. Oder anders gesagt, wir können entscheiden, ob wir auf den Gedankenzug aufspringen oder dieser Gedankenzug ohne uns weiterfährt.
Ich vergleiche die Gedanken oft mit Ordnern aus dem Betriebssystem „Windows“. Wenn wir auf so einen Ordner draufklicken, dann öffnen sich ganz viele Unterordner. Und so ähnlich ist es auch mit unseren Gedanken. Wenn wir z. B. in den Gedanken „Arbeit“ einsteigen, dann öffnen sich ganz viele Unterpunkte (so z. B. die Probleme mit dem Chef, die schwierigen Arbeitsbedingungen, das schlechte Gehalt usw.). Nicht in die Gedanken einzusteigen heißt nicht auf den Ordner zu klicken und somit die ganzen Unterordner zuzulassen. Folgendes Bild verdeutlicht dies:

Teilweise ist es natürlich wichtig in Gedanken und Themen einzusteigen und alle Unterordner zu betrachten. Jedoch passiert dies oft automatisch und ohne dass es uns bewusst ist. Denn die Gedanken haben eine große Sogwirkung und verführen uns dazu sich in Ihnen zu verlieren. Aber wir können lernen achtsamer zu werden, damit uns schneller bewusst wird, wenn wir uns in Gedanken verlieren. Wir können lernen aus Gedanken auszusteigen („Kognitive Defusion“) sowie die Gedanken nur zu beobachten und „nicht draufzuklicken“.
Und wie können wir dies lernen? Meine Meinung nach kann diese Fähigkeit nicht aus Büchern oder Youtube-Videos erlernt werden, sondern nur durch die eigene tägliche Übung. Ein Kind lernt das Fahrradfahren auch nicht aus einem Buch, sondern nur dadurch, dass es ausprobiert und irgendwann diese Fähigkeit verinnerlicht und dann ohne groß nachzudenken Fahrrad fahren kann. Ich empfehle hierzu folgende Übung einmal täglich für ungefähr 10 Minuten zu machen.

Die Sitz- und Atemmeditation

Die folgende Übung nennt sich Sitz- und Atemmeditation, da es zwei wichtige Dinge zu beachten gibt. Zum einen den Sitz und zu anderen den Atem 😉

Der Sitz:

  • Suchen Sie sich einen komfortablen Sitz und schauen Sie, dass Sie mit beiden Füßen den Boden berühren. Die Wirbelsäule ist gerade, der Blick leicht gesenkt.
  • Die Augen können geschlossen sein; besser jedoch die Augen ganz leicht zu öffnen (damit sie nicht zu schnell müde werden) und den Blick auf dem Boden ruhen lassen.
  • Nehmen Sie „erstmal den Sitz ein“ und versuchen Sie in ihrer Position anzukommen. Spüren Sie die Kontaktempfindungen mit dem Boden und mit der Sitzfläche.
  • Versuchen Sie nicht zu entspannt und gechillt zu sein, aber auch nicht zu angespannt zu sein. Eine mittlere Anspannung ist wichtig um gute Resultate zu erzielen. Dies besagt schon die Yerkes-Dodson-Regel aus dem Jahr 1908:

Der Atem:

  • Spüren Sie genau nach, wo Sie ihren Atem am deutlichsten und am lebendigsten wahrnehmen. Das kann das Heben und Senken der Bauchdecke sein oder auch der Punkt wo der Atem aus ihrer Nase kommt und die Oberlippe berührt.
  • Ihren Atem einfach natürlich kommen und gehen lassen, ohne ihn verändern zu wollen. Einfach nur das Heben und Senken der Bauchdecke betrachten. und die Bauchatmung praktizieren.
  • Falls es Ihnen schwerfallen sollte bei ihrem Atem zu bleiben, dann zählen Sie ihre Atemzüge. Am besten immer von 1 bis 7. Wenn Sie rauskommen sollten, dann macht das nichts. Seien Sie immer mitfühlend zu sich und verurteilen Sie sich nicht. Einfach wieder bei 1 beginnen und versuchen die Atemzüge bis 7 zu zählen und dann wieder von vorne beginnen.

Und dann?

Wahrscheinlich werden schon nach kurzer Zeit Gedanken auftreten. Das ist ganz normal. Versuchen Sie alle Gedanken Wahrzunehmen und zu Akzeptieren. Danach einfach wieder zum Atem zurückkehren, sodass das Loslassen automatisch erfolgen kann. Die Gedanken einfach nur Wahrnehmen, Akzeptzieren und Loslassen. Hierbei kann der Meeressäuger Wal eine Eselsbrücke bilden.

So können Sie für eine kurze Zeit üben ihre Gedanken nur zu beobachten bzw. aus ihren Gedanken auszusteigen, wenn Sie sich in den Inhalten verloren haben. Lassen Sie sich auch nicht entmutigen, wenn es zunächst schwierig ist. Mit der Zeit wird es Ihnen immer besser gelingen. Nach ein paar Minuten beenden Sie die Übung, indem Sie ihre Augen wieder ganz öffnen, sich in den Raum zurückorientieren und sich etwas bewegen oder strecken. Lassen Sie sich Zeit hierfür.

Ich hoffe diese kleine Übung unterstützt Sie etwas beim Umgang mit ihren Gedanken. Im nächsten Teil werde ich versuchen eine Audio-Datei zu erstellen, die Sie zum üben benutzen können. Ich wünsche Ihnen ein gutes Gelingen.