Anorexia nervosa (Magersucht)

Die Anorexia nervosa ist durch einen absichtlich selbst herbeigeführten oder aufrechterhaltenden Gewichtsverlust charakterisiert. Am häufigsten ist die Störung bei heranwachsenden Mädchen und jungen Frauen; heranwachsende Jungen und junge Männer sind wie Kinder vor der Pubertät und ältere Frauen bis zur Menopause wesentlich seltener betroffen. Die Anorexia nervosa stellt in folgender Hinsicht ein eigenständiges Syndrom dar. Folgende Bedingungen müssen erfüllt sein:

  1. Tatsächliches Körpergewicht mindestens 15 Prozent unter dem erwarteten (entweder durch Gewichtsverlust oder nie erreichtes Gewicht) oder Quetelet-Index von 17,5 oder weniger. Bei Patienten in der Vorpubertät kann die erwartete Gewichtszunahme während der Wachstumsperiode ausbleiben.
  2. Der Gewichtsverlust ist selbst herbeigeführt durch:
    a) Vermeidung von hochkalorischen Speisen; sowie eine oder mehrere der folgenden Verhaltensweisen:
    b) selbst induziertes Erbrechen;
    c) selbst induziertes Abführen;
    d) übertriebene körperliche Aktivitäten;
    e) Gebrauch von Appetitzüglern und/oder Diuretika
  3. Körperschema-Störung in Form einer spezifischen psychischen Störung: die Angst, zu dick zu werden, besteht als eine tiefverwurzelte überwertige Idee; die Betroffenen legen eine sehr niedrige Gewichtsschwelle für sich selbst fest.
  4. Eine endokrine Störung auf der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse. Sie manifestiert sich bei Frauen als Amenorrhoe und bei Männern als Libido- und Potenzverlust. (Eine Ausnahme ist das Persistieren vaginaler Blutungen bei anorektischen Frauen mit einer Hormonsubstitutionsbehandlung zur Kontrazeption.) Erhöhte Wachstumshormon- und Kortisolspiegel, Änderungen des pripheren Metabolismus von Schilddrüsenhormonen und Störungen der Insulinsekretion können gleichfalls vorliegen.
  5. Bei Beginn der Erkrankung von der Pubertät ist die Abfolge der pubertären Entwicklungsschritte verzögert oder gehemmt (Wachstumsstopp; fehlende Brustentwicklung und primäre Amenorrhoe bei Mädchen; bei Knaben bleiben die Genitalien kindlich). Nach Remission wird die Pubertätsentwicklung häufig normal abgeschlossen, die Menarche tritt aber verspätet ein.