Persönlichkeitsstörungen

Der Begriff „Persönlichkeitsstörung“ ist meines Erachtens eine „sehr harte Formulierung“, weswegen ich in der Therapie häufiger den Ausdruck „Persönlichkeitsstil“ verwende.
Früher verwendete man für jene Persönlichkeitsauffälligkeiten den allgemeinen Begriff „Psychopathie“;  seit 1980 wird in Zusammenhang mit der Einführung des DSM-III von Persönlichkeitsstörung gesprochen.

Persönlichkeitsstörungen umfassen tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen. Dabei findet man bei Personen mit Persönlichkeitsstörungen gegenüber der Mehrheit der betreffenden Bevölkerung deutliche Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in Beziehung zu anderen. Solche Verhaltensmuster sind meistens stabil und beziehen sich auf vielfältige Bereiche von Verhalten und psychischen Funktionen. Häufig gehen sie mit persönlichem Leiden und gestörter sozialer Funktions- und Leistungsfähigkeit einher.
Persönlichkeitsstörungen beginnen meist, im Gegensatz zu Persönlichkeitsänderungen, in der Kindheit oder Adoleszenz und dauern bis ins Erwachsenenalter an und beruhen nicht auf einer anderen psychischen Störung oder einer Hirnerkrankung, obwohl sie anderen Störungen voraus- und mit ihnen einhergehen können.

Ein Bespiel: Genauigkeit, Perfektionismus und Gewissenhaftigkeit sind Tugenden, die in unserer Gesellschaft im Allgemeinen geschätzt werden und die auch Voraussetzungen für bestimmte Berufe sind („Wahrscheinlich möchte niemand von einem Chirurgen operiert werden, der nicht genau und gewissenhaft ist ;-)). Wenn jedoch die die Beschäftigung mit Details, Regeln, Listen, Ordnung, Pläne usw. überhand nimmt und es eine übermäßige Gewissenhaftigkeit oder Pedanterie gibt, kann man in manchen Fällen von einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung sprechen. Für die Person selbst macht dieses gewissenhafte Verhalten Sinn und es entsteht zunächst kein Leidensdruck, da die betroffenen Personen ihr Verhalten „zu ihrem Ich gehöhrend“ („Ich-Synton„) erleben. Der Leidensdruck entsteht erst im zweiten Schritt. Beispielsweise sind Leute von der übermäßigen Genauigkeit „genervt“ und wenden sich ab. Oder man „verzettelt sich im Details“ und „kommt nicht von der Stelle“, da Genauigkeit und Perfektion überhandnehmen. Dies macht das Erkrankungsbild sehr komplex und vielschichtig, da genau herausgearbeitet werden muss wodurch das Leid entsteht und dass kurzfristig sinnvolle Verhaltensweisen langfristig Leid verursachen. 
Eine Möglichkeit, um eine Persönlichkeitsstörung zu beschreiben, bietet ein Kontinuummodell. Bis zu einer gewissen Ausprägung sind zwanghafte, abhängige oder auch ängstlich (vermeidende) Eigenschaften „normal“ und „sinnvoll“. Zum Problem werden diese erst, wenn die Ausprägungen zu stark werden. Diese werden zwar von dem Betroffenen ebenfalls noch als „sinnvoll und normal“ erlebt, erzeugen aber sekundär Leiden.

Folgende Persönlichkeitsstörungen werden in der ICD-10 gelistet:

  • Paranoide Persönlichkeitsstörung (F60.0) (wachsamer Persönlichkeitssil)
  • Schizoide Persönlichkeitsstörung (F60.1) (ungeselliger Persönlichkeitsstil)
  • Disssoziale Persönlichkeitsstörung (F60.2) (abenteuerlicher Persönlichkeitsstil)
  • Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (F60.3) (sprunghafter Persönlichkeitsstil) impulsiver Typ (F60.30) bzw. Borderline-Typ (F60.31)
  • Histrionische Persönlichkeitsstörung (F60.4) (dramatischer Persönlichkeitsstil)
  • Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung (F60.5) (gewissenhafter Persönlichkeitsstil)
  • Ängstlich (vermeidende) Persönlichkeitsstörung (F60.6) (sensibler Persönlichkeitsstil)
  • Abhängige (asthenische) Persönlichkeitsstörung (F60.7) (anhänglicher Persönlichkeitssil)
  • Narzisstische Persönlichkeitsstörung (F60.80) (selbstbewusster Persönlichkeitsstil)
  • Passiv-aggressive (negativistische) Persönlichkeitsstörung (F60.81)
  • Schizotype (Persönlichkeits)Störung (F21) (exzentrischer Persönlichkeitsstil)